Aargauer Zeitung  29.06.2002 06:59

Als der Fährmann die Königin rettete
Turgi
Das «Dorf-Wandeling» ist sicher einer der Höhepunkte des Dorffestes zur Wakkerpreis-Verleihung
Die «Dorf-Wandeling» sollte man sich nicht entgehen lassen. Eine Führung durch Turgi mit beschränktem Wahrheitsgehalt, ein bisschen Akrobatik und viel Irrwitz.
Petra Mühlhäuser

Bei WMBR (Wandeling mit beschränktem Risiko) wird noch jeder persönlich begrüsst. Die beiden holländischen Hostessen Saskia und Annemieke (Alma Jongerius und Gonne Klein) - die Nachnamen kann sich die durchschnittliche Wandeling-Besucherin unmöglich merken - sortieren sodann ihr Publikum nach der Schuhbekleidung.

Die Spinner von Turgi
Und das macht durchaus Sinn: Schliesslich kriecht man da durch ein Gebüsch und dort durch einen Privatgarten, passiert eine alte römische Strasse, möglichst ohne sie zu zerstören, oder muss auch mal experimentell nachvollziehen, wie es damals war. Vor 200 Jahren nämlich, als die holländische Königin Sonja III. auf Prinzenschau in der Schweiz weilte und dabei auch nach Turgi gekommen ist.
Nicht gewusst? Macht nichts, so geht es einem noch manches Mal mit den fast wahren Geschichten, die die beiden zu erzählen haben. Wer weiss schon, dass der Ausdruck «spinnsch eigentlich» hier, «bei den Spinnern der Spinnerei» entstanden ist? Oder dass die Turgemer Holzbrücke eigentlich von der holländischen Königin gestiftet und zahlreichen anderen Brücken zum Vorbild geworden ist?

Am Ende fehlte die Krone
In vollem Ernst wird den Turgemer und auswärtigen Touristen ein Bären nach dem anderen aufgebunden. Aber eines muss man den beiden lassen: Es hätte wirklich so gewesen sein können.
Der Königin jedenfalls wurde ein grandioser Empfang bereitet. So grandios, dass ihre Pferde vor Schreck über die Ausgelassenheit des Dorfes scheuten und durchgingen. Am Ende musste die Herrscherin vom Fährmann aus der Limmat gefischt und ihre Kutsche gründlich repariert werden. Und noch viel schlimmer: Die Krone ging verloren ...
«Sie sind eine tolle Gruppe», finden die Hostessen, «eine wackere Gruppe.» Und überhaupt: «Die Leute sind so nett hier», sagen sie immer wieder gerührt, wenn sich jemand findet, der klaglos die Statue spielt, um den beiden für ihre Erzählungen das richtige Ambiente zu bieten. Oder einfach, wenn auf halbem Wege noch niemand verloren gegangen ist.
Sie revanchieren sich mit einem ganz besonderen Snack und einer Hymne auf Turgi. Und am Ende ihrer «Verführung» oder «Verfolgung», wie sie in korrektem niederländisch-deutsch sagen, bedanken sie sich auch noch mit einem romantischen Happy End - so richtig fürs Gemüt